Geschichte des Archivs
Zur Entstehung des Archive Artist Publications
Als wir – die Produzentengalerie Adelgundenstraße in München – 1976 erstmals die Idee einer Ausstellung von Künstlern gemachter Bücher hatten, war ich davon sofort fasziniert und konzipierte eine dreiteilige Ausstellung:
– gedruckte Künstlerbücher
– Bücher in Codexform, jedoch aus verschiedenartigen Materialien
– und Buchobjekte.
Der dreiteilige Katalog dazu war der Ausgangspunkt für das spätere Archiv.
In Gesprächen mit führenden Leuten aus der damaligen Künstlerbuchszene wie z.B. Walther König, Rolf Dittmar, Hanns Sohm und Armin Hundertmark ebenso wie mit vielen Künstlern und Kleinverlegern kristallisierte sich heraus, dass den Künstlern die Möglichkeit fehlte, um ihre Bücher im größeren Stil und international zu vermarkten. So kam es, dass ich 1980 den Verlag & Distribution Hubert Kretschmer gründete.
In den folgenden Jahren nahm ich mit den Künstlerbüchern an folgenden Messen teil:
– Frankfurter Buchmesse
– Minipressenmesse in Mainz
– GegenBuchmesse in Frankfurt
– ART-Basel
– ART-Köln
– ART-Frankfurt
– ART-Multiple in Düsseldorf
– deutsche Buchmesse in New York
– und diverse kleinere Veranstaltungen mit Kunst und Büchern.
So entstanden gute Beziehungen zu vielen führenden Bibliotheken, sowie Privatsammlern und Buch- und Kunsthändlern in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich, England, Spanien, den Niederlanden, Italien, Luxemburg, Japan und den USA.
Durch diese internationale Vernetzung eröffneten sich mir gute Gelegenheiten, Künstlerbücher zu erwerben, zu tauschen, zu verlegen und Informationen über dieses Metier zusammenzutragen.
Mit meinem Archiv habe ich stets das Ziel verfolgt, nicht nur meine Sammlung von Künstlerbüchern zu erweitern, sondern auch das Umfeld und den Zeitgeist zu dokumentieren, in dem die Bücher entstanden sind:
Multiples, Plakate, Einladungen, diverse Tonträger, Fotokopien, Briefmarken, Videos, Zines, CDs, Lieferverzeichnisse, Zeitschriften, Websites und Sekundärliteratur und Ausstellungskataloge.
Die Exponate spiegeln die Kunstströmungen der letzten dreißig Jahre bis heute wider:
die Ausläufer des Fluxus, des Happenings und der Aktionskunst, Mail Art, Stamp Art, die Neuen Wilden, Konkrete und visuelle Poesie, Konzeptkunst und Copy-Art.
In geringem Umfang nehme ich auch Alltags-Publikationen in die Sammlung auf. Sie dienen als Referenz zum Außerkünstlerischen: einzelne Werke aus der professionellen Printproduktion, wie Versand-Kataloge, Mode und Lifestyle-Zeitschriften, Flyer, Prospekte. Sie ermöglichen den direkten Vergleich mit zeitlich parallel entstandenen künstlerischen Produktionen und ihre Bewertung und Einordnung in die Kultur ihrer Zeit. Der soziale und ästhetische Stellenwert der Kunst wird auf diese Weise direkt erlebbar und nicht zuletzt auch erforschbar.
Meine Beschäftigung mit dem Archiv sehe ich als einen Teil meiner künstlerischen Arbeit an, in der ich mich als Sammler, Verleger, Kurator, Dokumentarist, Forscher und Gestalter der umfangreichen Erkundung neuer Ausdrucksformen und künstlerischer Strategien widme.
Hubert Kretschmer