Reisenotizen aus Leipzig: Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum
Mittwoch, 01. Mai 2013Über buchkünstlerische und künstlerbüchlerische Entdeckungen im Deutschen Buch- und Schriftmuseum.
Ein Gastbeitrag von N.B.
Vom Leipziger Hauptbahnhof sind es fünf Stationen mit der Tram. Bei der Haltestelle „Deutsche Nationalbibliothek“ angekommen, steigen wir aus. Nach ein paar Metern zu Fuß blitzt einem schon der Neubau mit seiner verspiegelten Fassade entgegen.
Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum befindet sich seit 2011 in diesem Erweiterungsbau. Ursprünglich 1884 in Leipzig gegründet ist es seit 1950 ein Teil der Deutschen Nationalbibliothek.
Den Eingang und den Übergang hinter uns gelassen, breitet sich vor uns schließlich die etwa 1000 qm große Ausstellungshalle aus. Wir finden uns wieder, inmitten von Schaukästen mit Inkunabeln, Buchhandwerkzeug und verschiedenen Zimelien, die allesamt die Geschichte des Buchdrucks und des Mediums Buch nachzeichnen.
Im hinteren Bereich der Ausstellung werden wir dann fündig. Am Anfang eines langen Schaukastens, der sich der Buchgestaltung und Typografie widmet.
Hier sehen wir erste Zeugnisse der Buchkunst, angestachelt durch die damaligen Experimente der Dadaisten und Konstruktivisten. Darunter u. a. eine Ausgabe der von Kurt Schwitters herausgegebenen „MERZ“, heute ein Stück Grafikdesign-Geschichte. Auch dabei sind die bis zur heutigen Zeit kunsthistorisch nachwirkenden „Kunstismen“, 1925 herausgegeben von El Lissitzky und Hans Arp.
Nach einigen Abschweifern stoßen wir sodann auf den buchkünstlerischen Kern der Ausstellung.
Ein in drei Epochen aufgeteilter Schaukasten eröffnet mittels einer sorgfältig getroffenen Auswahl an Künstlerbüchern sowie buchgestalterischen und typografischen Werken Einblicke in die Entwicklungen ab Mitte des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.
Im ersten Teil (1950−1970) wird zum einem die weitergeführte Tradition in Gestalt der Buchkunst und zum anderen der Neubeginn durch künstlerische Erzeugnisse wie dem Künstlerbuch gezeigt. Unter den ausgestellten Werken finden sich hier wegweisende Arbeiten wie Ferdinand Kriwets „Apollo Amerika“ oder ein Band aus den „Gesammelten Werken“ von Dieter Roth. Beide Künstler verstanden es, nicht nur das traditionelle Buchverständnis aufzubrechen, sondern setzten sich auch mit der objekthaften Gestaltung auseinander.
Der zweite Teil (1971−1990) hebt einige damalige Werke der experimentellen Buchgestaltung heraus. Historisch ins Auge fällt hier eine Nummer der ostdeutschen Künstlerzeitschrift „Entwerter/Oder“. Die Zeitschrift entstand 1982 unter den widrigen Umständen der DDR und avancierte über die Jahre zu einer beliebten Plattform der inoffiziellen Künstlerszene Ostberlins. Damals noch unter enormen Eigenaufwand hergestellt wird sie bis heute von dem Künstler und Verleger Uwe Warnke herausgegeben.
Der dritte Teil (1991−2011) zeigt eine Auswahl an Produkten, die seit dem Einzug des Computers und digitaler Druckverfahren Ende der 1980er Jahre möglich geworden sind. Digitale Typografie und Illustration gekoppelt mit computergestützter Produktion ist das, was sich heute unter dem Schlagwort „Buchdesign“ subsumieren lässt. Exemplarisch ist hier zum Beispiel das Buch „Hip Hop XXL“ ausgestellt, ein 2001 im Rockbuch Verlag erschienener Abriss über die Geschichte der deutschsprachigen Hip Hop-Szene. Die Gestaltung des Buchs übernahm damals das Frankfurter Designbüro KM7 um Klaus Mai. KM7 hatte sich Ende der 1990er Jahre in der Musik-Szene mit innovativen Grafikdesign einen Namen gemacht und gilt der Branche seither als eine Inspirationsquelle.
Erwähnt seinen noch die herausziehbaren Schubladenschaukästen, welche dann auch noch einige Schätze zu Tage förderten.
So etwa eine Reaktion Heinrich Heines auf die staatliche Zensur von Buchveröffentlichungen anno 1826.
Oder eine 1927 im Malik-Verlag erschienene Buchveröffentlichung von Upton Sinclair. Mit dem obligatorischen Feigenblatt.
Die gezeigten Fotos stammen aus der seit März 2012 im Deutschen Buch- und Schriftmuseum bestehenden Dauerausstellung „Zeichen – Bücher – Netze: Von der Keilschrift zum Binärcode“.
Öffnungszeiten: Di-So 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr, Feiertags 10–18 Uhr
Der Eintritt ist frei.
Das Museum verfügt insgesamt über einen Bestand von rund einer Million Objekte (darunter internationale Buchkunst des 20./21. Jahrhunderts und Künstlerbücher), die man sich im angrenzenden Museumslesesaal für Forschung, Studium und Praxis bereitstellen lassen kann.